Vor wenigen Tagen konnte eine weit über Berlin hinaus den Tanzsport prägende Persönlichkeit das achte Lebensjahrzehnt vollenden. Peter Steirl, 1942 in Darmstadt geboren, hatte zwar schon seit 1965 Turniere getanzt, aber zunächst den beruflichen Weg als Chemiker eingeschlagen. Dieser führte ihn nach Berlin, wo er an der Technischen Universität das Studium als Diplom-Chemiker absolvierte und von 1974 bis 1977 am Institut als Assistent arbeitete. Die geplante Doktorarbeit kam indes nicht mehr zur Vollendung, denn inzwischen wurde er Tanztrainer. Seine aktive Tanzsportkarriere mit seiner damaligen Frau Birgit war Empfehlung genug: so erreichte das Paar allein im Jahr 1976 national in allen drei Sektionen hervorragende Platzierungen: Latein (3. Platz), 10 Tänze (4. Platz) und Standard (6. Platz). Ein Jahr zuvor wurden beide Vize-Mitteleuropameister Latein. Außerdem bestritt Peter Steirl diverse Länderkämpfe. Dazu zählte u. a. ein sensationeller Allround-Sieg gegen das englische Team.
Auch abseits des unmittelbaren Tanzparketts zählte Peter Steirl zu den kreativsten Vertretern des Tanzsports. Es ist schier unmöglich, all seine Funktionen und Verdienste aufzulisten. So gehörte er zum Stammtisch studierender Berliner Tanzsportler um Arnold Patas, Ronald Stiegert, Manfred Leitner und anderen Köpfen, die ihre Ideen vom deutschen Ausbildungswesen diskutierten. Ebenso arbeitete Peter Steirl als Mitglied des DTV-Lehrausschusses an Richtlinien mit, die alsbald in anderen europäischen Ländern Anerkennung fanden. Gemeinsam mit Arnold Patas machte er sich an die Festlegung von Grob- und Feinkonzept, Reihenfolgen, Ausbildungsstufen sowie Mindestkenntnissen und Erweiterungsmöglichkeiten. Beide berücksichtigten hierbei schon früh lernpsychologische und pädagogische Kenntnisse. Ihr gemeinsamer Entwurf wurde dem DTV-Sportausschuss vorgelegt, dort als bundeseinheitliche Minimalanforderung verabschiedet und ab 1977 schrittweise realisiert. Schon im 1973 gegründeten Berliner Tanzsport-Club (btc) konnte Peter Steirl auf Club-Ebene seine Vorstellungen einbringen. Er gehörte als 2. Vorsitzender dem ersten fünfköpfigen Vorstand an. Der Verein entwickelte sich nicht zuletzt aufgrund seines Engagements zu einem wichtigen Ort für Turnier- und Leistungssport in Berlin. In den Jahren 1985 bis 1986 bekleidete er überdies das Amt des LTV-Lehrwarts. Für diese und weitere Tätigkeiten ist ihm vor wenigen Jahren die LTV-Ehrennadel in Silber verliehen worden.
Zweifellos zählte Peter Steirl seinerzeit zu den profiliertesten Tanzsporttrainern. Von 1981 bis 1986 war er im eben erst eröffneten und damals in Steglitz beheimateten „Landesleistungszentrum Tanzen“ erster leitender Landestrainer Berlins (gemeinsam mit Christel Marschall), damals vertraglich als direktes Anstellungsverhältnis zum Landessportbund organisiert. Auch andere Landesverbände wie Bremen und Niedersachsen oder nach 1990 Sachsen haben ihn als angesehenen Trainer verpflichtet. Als Nachfolger von Evelyn Hädrich-Hörmann war er zudem seit 1985 Vorsitzender der Tanzsporttrainer-Vereinigung (TSTV) im ADTV. Weitere Meriten verdiente sich Peter Steirl als Standard-Formationstrainer und unmittelbarer Vorgänger von Meister-Trainer Rüdiger Knaack. Mit dem Braunschweiger TSC erreichte er national (1985 Deutscher Vizemeister) wie international (1985 Vize-Europameister sowie 1985, 1986 und 1987 jeweils Vize-Weltmeister) große Erfolge. Last but not least ist die seit 1991 existierende eigene Tanzschule am Wilhelmsruher Damm zu erwähnen, die mittlerweile fünf weitere Filialen in Berlin und Brandenburg vorweisen kann.
Peter Steirl ist ebenso in der tanzsportlichen Fachliteratur maßgeblich vertreten. All die gebündelten Erfahrungen als Ausbildungslehrer, Tanzlehrer, Tanzsporttrainer (ADTV und DTV) wie Wertungsrichter mündeten in seine grundlegenden Aufsätze „Kraft und Logik der Bewegung in den lateinamerikanischen Tänzen“ (1986) oder „Weder Mischmasch, noch Willkür“ (1995), die auch nach Jahrzehnten nichts von ihrer fachlichen Qualität eingebüßt haben. Beide außerordentlich instruktiven Veröffentlichungen bringen Peter Steirls zeitloses Anliegen, „musikalisches Tanzen“ zu fördern, nachdrücklich wie verständlich zugleich zum Ausdruck. Mit Freude nehmen wir zur Kenntnis, dass er gerade mit Anthony Hurley an einem tanzsportlichen Buchprojekt arbeitet. Der Landestanzsportverband Berlin gratuliert Peter Steirl auch auf diesem Wege zu seinem runden Geburtstag mit dem Wunsch, viele weitere Jahre gemeinsamen Austausches erleben zu dürfen.
Dirk Ullmann